Wälzlager sind erstaunlich hart im Nehmen: Sie tragen eine tonnenschwere Karosse mit zentnerschweren Insassen hunderttausende von Kilometern über Stock und Stein. Ohne Murren und mit nachgerechnet mehreren hundert Millionen Umdrehungen. Falls das geliebte Kfz solch astronomische Laufleistungen erlebt, kann ein Tausch der Lager durchaus ins Haus stehen. Mit Pech hat der Konstrukteur die Präzisionsbauteile allerdings auf einen Achsstummel aufgeschrumpft oder in eine Trommel oder Scheibe eingeschrumpft. Beim Einschrumpfen muss man das Lager kalt und die Trommel heiß machen, beim Aufschrumpfen umgekehrt.
Während man beim Einschrumpfen mit Kühltruhe oder Eisspray nicht viel falsch machen kann, so müssen Kugel- oder Kegellager für das Aufschrumpfen heißgemacht werden. Erst bei ordentlich Temperatur dehnt sich der Innenring um die paar fehlenden Tausendstel aus – das Lager lässt sich locker über den Achsstummel schieben.
Aber wie heiß? Und vor allem: womit? Das hängt wie immer vom Lager ab, genauer: Vom Schmierstoff, dem Stahl, den Deckscheiben und Dichtungen, wenn vorhanden. Zu hohe Temperatur lässt das Fett rauslaufen, beschädigt die Deckscheiben, den Käfig oder sorgt sogar für Gefügeveränderungen im Stahl. Prinzipiell gilt: Standardlager in aktuellen Fahrzeugen verknusen Montage- und Betriebstemperaturen bis rund 200 °C. Es gibt spezielle Hochtemperaturlager aus Sonderlegierungen und mit erhöhter Lagerluft – die kommen aber als Radlager nicht vor.
Damit die Schweinfurter Meisterwerke also nicht schon beim Einbau zu Kernschrott werden, ist Vorsicht geboten: Gleichmäßig warmmachen und vor allem nicht zu warm. Mittel der Wahl ist natürlich die einstellbare Spezial-Lager-Einschrumpf-Wärmeplatte für die Werkstatt. Die keiner hat.
Zweite Wahl ist die Beistell-Elektroplatte, die man irgendwann mal in den Schrauberkobel geschleppt hat und das Infrarot-Thermometer. Während das Thermometer irgendwo rumfliegt, hat so eine Platte auch niemand.
Und mit der Gasflamme ist das so eine Sache – hier ein zimperliches Lager kontrolliert auf 180 Grad zu kriegen, ähnelt dem Versuch, ein Ei in glühender Lava á la minute zu kochen.
Viel einfacher geht das deshalb mit einem untergelegten Stückchen Blech oder Stahlplatte: Die fungiert als Wärmeschild und -leitplatte gleichzeitig. Mit dem Thermometer laufend kontrolliert, lässt sich das Radlager auf diese Weise regelkonform und herstellergerecht auf Temperatur bringen. Bon appetit!