Das Bremssystem an sich
Das Prinzip einer Bremsanlage ist simpel: Ein Kolben drückt Öl in die Bremsleitungen und damit auch in die vier an diese Leitungen angeschlossenen Bremssättel oder Radbremszylinder. Die darin verbauten Kolben fahren aus und drücken Bremsbeläge gegen Scheiben oder Trommeln. Quieeeeeetsch!
In der Realität gehören neben dem Geberzylinder (dem Hauptbremszylinder) und den Nehmerzylindern (den Bremssätteln oder Radbremszylindern) noch ein paar andere Bauteile dazu – die aber alle demselben Prinzip gehorchen: Öl lässt sich nicht zusammendrücken, Luft schon.
Dummerweise hängt an diesem Nicht-zusammendrücken-können das Leben von Kraftfahrer und Passanten ab: Wenn die Bremshydraulik keinen Druck überträgt, fahren auch keine Kolben aus dem Bremssattel und stoppen den mattschwarzen SUV vor der Bushaltestelle des Kindergartens „Kleine Strolche“.
In so einem Fall steigt Vati etwas zerknittert aus dem Hybrid-Panzer und staunt, wie eine schlichte Luftblase die Alterspyramide der Gemeinde nachhaltig durcheinanderbringt.
Bremse offen gehabt?
Echte Luft gelangt in die Anlage, wenn sie offen war. Also zum Beispiel dann, wenn man irgendeine Komponente getauscht oder repariert hat. Selbst wenn man auf die Idee käme, den überholten Bremssattel und den da dranhängenden Bremsschlauch randvoll mit Bremsflüssigkeit zu machen und erst dann an die restliche Anlage anzuschließen: Es nützt nix, der halbe Fingerhut Luft im Schlauch reicht, um ein gummiartiges Gaspolster aufzubauen, das die sichere Verzögerung der Karosse unmöglich macht.
Typisches Fehlerbild: Das Bremspedal fühlt sich weich an. Noch schlimmer: Die Bremse muss „aufgepumpt“ werden, damit sich an den Bremssätteln überhaupt irgendwas tut. Wer am geliebten Kfz nur die Bremsbeläge tauscht, muss nicht zwangsweise entlüften – hier lohnt sich jedoch der Wechsel der Bremsflüssigkeit. Das kommt von der Arbeit beinahe aufs selbe raus.
Leichter als Öl?
Luft ist leichter als Öl und steigt aus diesem Grund – tadaaaa! – immer nach oben. Selbst wenn das Öl in diesem Fall eine petrochemische Mixtur ist und fortan nur noch „Bremsflüssigkeit“ heißt. Hätten die Leitungen, Regelventile und Zylinder der Bremsanlage keine Ecken und Kanten, könnte man deshalb beinahe auf das Entlüften verzichten: Die Luft in der Bremsflüssigkeit würde ja wie Sprudelblasen im Blubberlutsch von selbst nach oben und damit in den Ausgleichbehälter steigen.
Tut sie auch. In der Realität bleibt sie aber dummerweise an irgendwelchen Kanten und Ecken im Bremszylinder oder den Bremsleitungen hängen.Um solche renitenten Blasen zu bewegen, muss man die Bremsflüssigkeit mit Gewalt durch die Anlage drücken – die Blubberblasen folgen dann dem Flüssigkeitsstrom.
Offene Stellen
Dieses „Durchspülen“ passiert immer in eine Richtung: Vom Ausgleichbehälter des Hauptbremszylinders aus in Richtung der einzelnen Räder (der Radbremszylinder). Der besagte Ausgleichbehälter übernimmt in Tiguan, E-Klasse oder Zoe dabei zwei rühmliche Aufgaben. Er kompensiert einerseits die Wärmeausdehnung im System und (viel wichtiger) speichert andererseits Bremsflüssigkeit, die gebraucht wird, wenn die Bremsbeläge langsam verschleißen. Als Folge fahren die Kolben im Bremssattel im Laufe der Zeit immer weiter aus ihren Zylindern – das System braucht mehr Bremsflüssigkeit.
Alles Entlüften beginnt deswegen genau hier; der Ausgleichbehälter wird bei allen Methoden pickepackevoll mit frischer Bremsflüssigkeit gemacht. Erst dann wird die gelbe Flüssigkeit durch die Anlage gepumpt, gedrückt oder gesaugt.
Zum Entlüften bitte Pumpen
Das kennt jeder: Kollege Lurch (man selbst) klemmt rücklings verrenkt im Radkasten und ruft der Kollegin Pedal (dem Eherochen) „treten!!!!!!“ zu, während man das Entlüfterventil eines Radbremszylinders öffnet und schließt. Derweil mäandert kaffeebraune Suppe durch einen Schlauch in ein Marmeladenglas.
In der Theorie läuft hier eine simple, aber wirkungsvolle Choreografie ab, bei der man das System unten öffnet und von oben Bremsflüssigkeit hineinpumpt. Die Bremsflüssigkeit wird dabei vom Hauptbremszylinder höchstselbst bewegt: Der holt sich mit jedem Hub des Pedals ein Schlückchen frische Bremsflüssigkeit aus dem Ausgleichbehälter und pumpt sie in alle vier angeschlossenen Bremsleitungen.
Öffnet man nun eines der Entlüfterventile, läuft diese Flüssigkeit hier raus – und bringt die an irgendeiner Kante hängengebliebene Luft einfach mit. Wichtig bei dieser Prozedur ist, das Absperrventil am Radbremszylinder nach jedem Flüssigkeitsschub wieder zu schließen, weil die Anlage ansonsten durch das Ventil die Luft auch wieder ansaugen kann.
Drücken
Wenn das Bremssystem „in Ruhe“ ist (also niemand ins Pedal latscht), muss es zum Ausgleichbehälter hin offen sein. Nur das stellt sicher, dass mögliche Wärmeausdehnung keinen Druck im System aufbauen kann und damit die Bremse quasi von selbst betätigt.
Fürs Entlüften nutzt man diese Offenheit schamlos aus. Hier reicht nämlich schon ein lumpiges bar Überdruck im Ausgleichbehälter, um die Bremsflüssigkeit durch die Anlage und hin zu den Entlüfterventilen zu befördern.
In der Praxis schraubt man simple Adapter auf die Einfüllöffnung und schließt den Kompressor an – der Überdruck drückt das lebenswichtige Elixier durch alle Schläuche und Bremsleitungen. Wer keinen Kompressor hat, kann auch einen Fahrradschlauch mit Luftpumpe nehmen, der Effekt ist immer derselbe.
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Saugen
Um die Bremsflüssigkeit vom Ausgleichbehälter hin zum Entlüfterventil zu kriegen, kann man natürlich auch am Ventil saugen, ziehen und nuckeln. Das hat genau denselben Effekt, als von der anderen Seite zu drücken. Wie man das tut, ist beinahe wurscht. Hier geht eine simple Pferdespritze genauso gut wie Hand-Saugpumpen oder mit Druckluft betriebene Injektor-Unterdruckpumpen. Sowas bekommt man in den Tiefen des Internetz, zum Beispiel bei DAPARTO.
Erfolg
Egal, was man unterm Auto macht: Die ganze Prozedur war erfolgreich, wenn an allen vier Entlüfterventilen frische Bremsflüssigkeit rauskommt. Und vor allem: Wenn sie das blasenfrei tut. Die Gegenprobe besteht darin, bei laufendem Motor (Bremskraftverstärker ist dann an) ordentlich in die Bremse zu latschen und kurz darauf nochmal. Das Pedal steht „trocken“, hat also immer denselben Druckpunkt? Gratulation!
Wie man das Entlüften im Detail tut, zeigen im Übrigen die folgenden Artikel. Helau!