El Argonero
Große Flasche – kleine Flasche
Unabhängig davon, dass das Schutzgas einen Quell steter Freude und mörderischer Gefahr darstellt, existiert es prinzipiell in unterschiedlichen Darreichungsformen. Da ist als erstes natürlich die Größe (genauer: die Füllmenge) der Flasche selbst.
Je nach Geldbeutel, benötigter Gasmenge und Tragkraft des Auszubildenden kann man hierzulande typischerweise Flaschen mit 5, 10, 20 oder 50 Liter Inhalt erstehen. Die sind nach aktueller Kennzeichnung allesamt grau angepinselt und haben eine grüne Halskrause.
Dieser bunte Streifen unterscheidet das Schutzgas z.B. vom Stickstoff (schwarze Krause). Was genau der Gasmeister in den Zylinder gepumpt hat, lässt sich einem Aufkleber entnehmen – hier steht üblicherweise der Handelsname des Gases sowie seine chemische Zusammensetzung.
200 bar / 300 bar
Ebenfalls auf dem Kragen der Flasche haben sich der Behältermacher und der TÜV mit Schlagzahlen und -buchstaben verewigt. Mit etwas Suchen findet sich hier das Baujahr der Buddel, das Datum der letzte Prüfung sowie Gewicht und zulässiger Höchstdruck der Flasche.
Insbesondere der Höchstdruck ist wichtig, weil seit etlichen Jahren nicht nur Flaschen mit 200 bar, sondern auch solche mit 300 bar Innendruck im Schaufenster liegen.
Auch wenn eigentlich praktisch, so hat sich dieses Hochdrucksystem (noch) nicht flächendeckend durchgesetzt.
Das liegt vermutlich daran, dass Millionen Normaldruckbuddeln als Eigentums-Flaschen unterwegs sind und sich die Vorzüge von rund 1/3 Gasfüllung extra pro Lieferung erst dann auszahlt, wenn man im Akkord Kreuzfahrtschiffe, Panzerabwehrkanonen oder Gartenstühle zusammenhäkelt.
Beim Schweißen selbst macht dieses Mehr an Gas überhaupt keinen Unterschied, einfach weil ATAL, CORGON und Co. ja nur mit wenigen Litern pro Minute aus der Flasche tröpfeln.
Nichtsdestoweniger gibt es diese Flaschen, sollte man wissen und fällt auch erst dann auf, wenn der 200 bar-Druckminderer verteufeltnocheins nicht an die Flasche passen will. Hier könnte es sich dann um ein Exemplar mit 300 Atmosphären im Bauch handeln.
Schutzgas MAG
Liegen un- oder niedriglegierte Stähle auf dem Schweißtisch, reicht üblicherweise „aktives“ Schutzgas – der Schweiß-Obermeister redet dann von „Metall-Aktiv-Gas-Schweißen“, also „MAG“. Solche Gase bestehen allermeist aus einer Mischung von Argon, Helium und Kohlendioxid.
Je nach Zusammensetzung der Bestandteile verändern sich Einbrandtiefe, die Spritzerneigung und der Lichtbogen selbst. Gängige Handelsnamen von Schutzgas für un- oder niedriglegierte Stähle (mithin alles, was -bislang- in der Werkstatt vorkommt) sind Krysal, Corgon, Progen, Argomix oder ATAL.
In einer typischen Mischung wie Corgon oder ATAL sind 82% Argon und 18% Kohlendioxid. Für spezielle Anwendungen (und Sparfüchse) eignet sich das Schweißen mit reinem Kohlendioxid.
Dieses Zeug kommt auch in grauen Flaschen daher und ist deutlich günstiger, weil elementarer Bestandteil von Bierzapfanlagen. Allerdings ist der Lichtbogen bei Kohlendioxid sehr hart und der Einbrand tief, so dass Mischgase die bessere Wahl darstellen.
Schutzgas MIG
Im Gegensatz zu MAG nimmt das Schutzgas beim MIG-Schweißen keinen Einfluss auf das Schmelzbad. Wenn man recht darüber nachdenkt, tut es das natürlich auch – einfach, indem es genau das tut: Nix.
Jedenfalls handelt es sich bei diesem inerten Gas fast immer um reines Argon. Das ist im Gegensatz zu Kohlendioxid herrlich reaktionsfaul und wird nur deswegen nicht zum Schweißen von schwarzem Material verwendet, weil es deutlich mehr kostet.
Wenn jedoch gerade die Glücksspirale anrief, steht auch dem Grubenkampf mit reinem Argon nichts im Wege: Dem Corsa-Schweller ist es wurscht, ob er mit Gasgemisch oder reinem Argon in das umgebende Alteisen eingesetzt wird.
An die Kette!
Eingesperrtes Gas ist gefährlich und gehört deswegen stets an die Kette. Wie schon im Sicherheits-Artikel beschrieben, betrifft das sowohl den Transport der Flasche als auch den Einsatz am Schutzgas-Gerät.
Hat man das Pressgas also kunstvoll und zum Erstaunen anwesender Damen fröhlich pfeifend auf der Schulter über den Hof geschleppt und durch die Bude gerollt, wuchtet man den Zylinder übers Knie auf die Schweißmaschine. Anschließend ran mit der Kette und erst dann runter mit der Schutzkappe.
In Fall dieser Air Liquide-Buddel ist das überflüssig – das Ding verfügt über eine Art Plaste-Schutz-Mündungsdämpfer-Kappe, die das Ventil vor Schaden bewahrt.
Druckminderer
Die Druckminderer-Garnitur für Schutzgas besteht in aller Regel aus dem Druckminderer höchstselbst und zwei Manometern. Dabei zeigt das erste den Druck vor der Garnitur (also den Flaschendruck) an, während das zweite den mithilfe des Druckminderers gewählten Volumenstrom präsentiert.
Die Skala der zweiten Eieruhr signalisiert deswegen auch keine „bar“, sondern „Liter pro Minute“, eben genau das, was aus der Brennerhülse rauspüffelt, wenn man den Abzug drückt.
Dass diese Menge über die gesamte Füllung der Flasche hin exakt gleichbleibt, ist Aufgabe des im Inneren verborgenen Druckminderers, einem kleinen, federbelasteten Ventil mit ein paar Steuerkölbchen und -Bohrungen.
Weil der Schweißer von Welt je nach Umgebungsbedingung mehr oder weniger Gas braucht, lässt sich die Gasmenge (der Volumenstrom) am lustigen Knebel des Geräts einstellen. Allerdings muss dazu die Garnitur an die Flasche: Kontrollieren, ob der Dichtring noch vorhanden und die Dichtfläche am Flaschenventil sauber und mackenfrei ist. Druckminderer montieren und die Überwurfmutter mit einem passenden Schlüssel fest anziehen.
Jetzt das Flaschenventil laaaaaangsam aufdrehen.
Dabei muss es leise zischen und dann still sein. Idealerweise zeigt das erste Manometer jetzt irgendwas kurz unterhalb von 200 bar an, während der Zeiger der zweiten Uhr irgendwo auf der Skala stehenbleibt. Flaschenventil wieder zudrehen und eine Zigarettenlänge abwarten.
Während der Nikotinaufnahme muss der Druck am ersten Manometer wie angenagelt stehenbleiben.
Falls er nämlich abfällt, kann man sicher sein, dass sich die Füllung einer ganzen, teuren 20-Literflasche über Nacht in die Scheune verflüchtigt, wenn man das Ding nach der Arbeit mal versehentlich nicht zudreht.
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Gasflasche leihen oder kaufen?
Weil auch die größte Buddel irgendwann leer ist, hat sich der Gashandelsmann eine ganze Reihe perfider Systeme ausgedacht, um dem Schweißer das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das sind im Prinzip Miete, Kauf und Tausch. Und wie sollte es anders sein: Die Systeme unterscheiden wie ein Handytarif in Preis und Leistung ganz erheblich.
Für eine 20-Liter Kaufflasche ATAL legt man z.B. runde 250 Euro auf den Tisch, eine Füllung (im Tausch der Flasche) kostet etwa 50 Euro. Eine Jahresmiete derselben Flasche kostet runde 50 Euro, die Füllung ist geringfügig teurer.
Vorsicht, wenn der Gasmann wirklich die eigene Flasche befüllt (und nicht einfach austauscht): Die muss dann auch TÜV haben, der extra zu Buche schlägt. Darüber hinaus befüllen die meisten Gashändler nicht mehr selbst, so dass man manchmal Wochen warten muss, bis die heißgeliebte, eigene Flasche wieder auf dem Hof steht.
Eine elegante, aber nicht völlig offizielle Möglichkeit der Gasbeschaffung ist das Auftanken der eigenen Buddel bei einer befreundeten Schlosserei oder Dorfschmiede. Irgendwo fliegt da für solche Zwecke meist ein stabiles „Überspielröhrchen“ rum, mit dem man zwei Flaschen verbinden kann.
Mit einem ehrfurchtheischenden, dunklen Zischen, bei dem die vormals leere Buddel und das Rohr ziemlich warm werden, spart man sich das Gerenne zum Gashändler.
Perfekt aber, wenn der Gasonkel Langzeitmiete ohne Miete anbietet. Das entspricht ungefähr dem System der grauen Propanflasche: Hier zahlt man zu Beginn die Eintrittskarte und ab dann nur noch die Füllung.
Sobald das Gas auf dem Trittbrett der Maschine ruht, kann man sich der Elektrode / dem Schweißdraht höchstselbst widmen – junge Damen, bitte hier entlang.