Das Autogen-Gerät
Wenn sich in den hinteren Winkel einer düsteren Schrauberbude ein Flaschenwagen mit ZWEI Gasflaschen findet, so ahnt man: Das muss das Autogen-Gerät sein. Obwohl man da eigentlich gar nicht von Gerät sprechen kann – vielmehr finden sich auf dem Flaschenwagen nur zwei unterschiedlich angepinselte Gasbuddeln mit Druckminderern, ein paar Meter Schlauch und ein messingfarbener Brenner. Dazu vielleicht noch eine Blechkiste mit Zubehör für eben diesen Brenner. Das soll ein Schweißgerät sein?
Ja, ist es. Und historisch gesehen stellt Autogenschweißen das zweitälteste Schweißverfahren auf Erden dar. Ältestes ist das „Feuerschweißen“: Bei diesem seit der Eisenzeit praktizierten Verfahren zieht der Schmied zwei hellrot glühende Eisen aus der Esse und fügt sie mit Hammerschlägen auf dem Amboss zusammen. Das ist archaisch, haltbar und rustikal gleichermaßen. Aber eben auch SEHR aus der Mode.
Autogen-Schweißen (oder neudeutsch: „Gasschmelzschweißen“) kommt im Hinblick auf Einfachheit gleich danach und ist genau so analog. Hier macht der Schmied oder Schlosser das Eisen mit einer fein dosierten Flamme rotglühend und verschweißt damit Bleche, Profile oder das reparaturbedürftige Kettenkrad der Nachbarsbengel. Die Energie, also das Gas für diese Flamme, steckt in diesem Fall in der Flasche; dosiert und gebändigt wird sie mithilfe des Brenners.
Acetylen
Die meistgebrauchten Gase für Autogen-Schweißen sind Acetylen und Sauerstoff. Mit dieser Mischung erreicht die Flamme eine Temperatur von bis zu 3.200 °C – mehr als ausreichend, um alle Eisenmetalle flüssig zu machen und dann zu verschweißen. Das Acetylen (chemisch: Ethin) kommt in Flaschen mit 5, 10, 20 oder 50 Litern Inhalt.
Weil Acetylen unter hohem Druck zerfällt, kann man es allerdings nicht wie Propan oder Butan in eine Flasche quetschen. Vielmehr befindet sich in dem Stahlzylinder eine poröse Masse sowie flüssiges Aceton, die das Acetylen aufnehmen. Der Druck im Behälter beträgt je nach Umgebungstemperatur nur ein paar wenige bar. Sobald man Brenngas entnimmt, sinkt der Druck im Inneren und sorgt dafür, dass wieder etwas von dem gelösten Acetylen verdampft.
Als Kettenkräder noch zum Straßenbild gehörten, waren diese Flaschen gelb, spätestens seit der Jahrtausendwende sind Acetylenflaschen kastanienbraun.
Sauerstoff
Um das sehr energiereiche Acetylen effektiv zu verbrennen, benötigt man reinen Sauerstoff. Der kommt ebenfalls in unterschiedlich großen Stahlflaschen mit üblicherweise 200 bar Überdruck. Diese Flaschen waren mal blau, sind aber schon seit geraumer Zeit grau und haben einen weißen Kragen.
Für beide Flaschen gelten die im Sicherheits-Artikel genannten Handlungsempfehlungen, um die eigene Werkstatt / das Haus / den Wohnblock fachgerecht abzufackeln oder in die Luft zu sprengen. Schließlich ermöglicht schon eine Colabüchse Acetylen-Sauerstoff-Mischung das, was man „Detonation“ nennt und lässt damit auch grimmige Polenböller recht farblos aussehen.
Safety first
Damit genau das nicht passiert, haben unbekannte Konstrukteure vor hundert oder mehr Jahren ein paar eigentlich idiotensichere Maßnahmen getroffen, um solche Missgeschicke zu verhindern: So sind zum Beispiel die Gasarmaturen und Druckminderer verwechslungssicher. Während die Sauerstoff-Armatur so wie eine Schutzgas-Armatur angeschlossen wird, drückt ein stabiler Bügel die Acetylen-Armatur an die Flasche.
Und weil das Hantieren mit brennbarem Druckgas -bildlich gesprochen- einer Fahrt durch ein ungeräumtes Minenfeld gleicht, gilt es ein paar Dinge zu beachten. Schließlich kann man so eine Reise mit Badelatsche und einer Flasche Mariacron im Blut tun oder auf einer geräumten Piste und nüchtern. Letzteres ist sicherer und verhindert die namentliche Erwähnung in der Lokalzeitung – im Teil mit den Todesanzeigen. Wie man sich mit brennbarem Druckgas am wirkungsvollsten entleibt, schildert übrigens unser Artikel Suizid mit Acetylen und Sauerstoff ganz eindrücklich.
Erster Punkt ist natürlich der Transport und Aufbewahrungsort der Flaschen: Immer mit Schutzkappe drauf, Flaschen immer angeleint betreiben. Die Tatsache, dass das Acetylen in Aceton gelöst ist, begrenzt zudem die Entnahmemenge. Das liegt daran, dass bei zu hoher Menge (z.B. beim Brennschneiden) zu wenig Gas nachverdampft. In so einem Fall spuckt der Brenner Aceton. Flasche sofort zudrehen, aufhören und abwarten.
Ventil nur halb aufdrehen
Zusätzlich darf vor allem die Acetylenflasche nie und nimmer Hitze abbekommen, weil das gelöste Gas im Inneren zerfallen und dann explodieren kann. Sicherheitsabstand zu Esse, Ofen oder der Schweißstelle einhalten. Noch dazu müssen alle Armaturen natürlich zu 100% in Ordnung sein.
Insbesondere die Flaschenmanometer und Druckminderer bekommen den vollen Druck von teilweise 200 bar ab – hier sollte man im Zweifel nicht auf dubiose Alt-Ware vom Flohmarkt zählen, sondern neu kaufen. Weil reiner Sauerstoff außerdem explosionsartig mit Öl und Fett reagiert, haben Schmiermittel an den Armaturen gar nichts verloren.
Die Flaschenventile zudem immer nur um eine halbe Umdrehung aufdrehen – das reicht völlig aus und ermöglicht ein schnelles Schließen im Notfall. Bereits eine Coladose voll Acetylen besitzt genug Bumms, um die Werkstattscheiben auf den Hof zu fegen: Schlauch und Brenner müssen ebenfalls dicht sein. Zudem steigt das Gas unter die Decke – und kann sich z.B. am Starter einer Leuchtstoffröhre entzünden. Dichtheit prüfen, indem man die Flasche bei geschlossenem Brenner-Ventil auf- und wieder zudreht. Der Druck am 1. Manometer muss wie angenagelt stehenbleiben.
Nicht an jeder Ecke
Eine korrekte Autogen-Ausrüstung besteht also dem Brenner mit Spitzen, einem (nicht rissigen) Schlauchpaket, der tadellosen Armatur und einer grau-weißen und einer kastanienbraunen Buddel. Während man Propanflaschen für die Hymer-Dose an jeder Tankstelle bekommt, ist der Markt für Acetylen und Sauerstoff etwas exquisiter.
So existieren auch hier eine Reihe teils kruder Pfandsysteme und „Die nehmen wir nicht zurück“-Animositäten. Das liegt auch daran, dass die Stahlzylinder regelmäßig geprüft werden sollen – selbst wenn Flaschen teilweise über 50 Jahre im Gebrauch sind. Die Daten und deren Historie sind auf der Flaschenschulter eingeschlagen und reichen teils Jahrzehnte zurück.
Inzwischen werden kleine und große Flaschen jedoch selbst im Internet verhökert und per Spedition bis an die Haustür geliefert. Das ist zwar nicht ganz billig, aber praktisch.
Sehr wohl an jeder Ecke und auf dem Flohmarkt gibt es den Brenner. Am besten kauft man sowas im Set; weil Autogenschweissen inzwischen ein Verfahren für Kenner und Liebhaber geworden ist, kostet selbst ein ehemals teurer Kasten mitunter keine 50 Euro mehr.
Die Armaturen
Die beiden Armaturen unterscheiden sich neben der Befestigung an der Flasche vor allem durch ihr Druckniveau: Das beträgt bei Sauerstoff die schon vom Schutzgasschweißen gewohnten 200 bar. Acetylen liegt jedoch deutlich darunter. Dabei zeigt das erste Manometer hinter der Flasche den Druck im Stahlzylinder an und gibt Aufschluss darüber, wieviel Chemie noch im Zylinder steckt. Mit dem großen Knebel oder Handgriff betätigt man den Druckminderer in der Armatur. Das hat direkten Einfluss auf die Menge und das Druckniveau im anschließenden Schlauchpaket.
Manometer Nummer zwei zeigt typischerweise den Druck hinter dem Druckminderer an. Die Skala kann dabei in bar, Megapascal oder auch Liter pro Minute geeicht sein. Exakte Zahlen sind hier nicht kriegsentscheidend – wichtig ist eine grobe Einschätzung des Drucks, wenn man am Rädchen dreht.
Im ersten Bild rechts: 1 – Absperrventil der Flasche. Immer nur einen Hauch aufdrehen: Reicht beim gewaltigen Druck im Zylinder immer völlig aus. 2 – Manometer für den Druck in der Flasche. 3 – Fließdruck hinter dem Druckminderer, also im Schlauchpaket. 4 – Absperrhahn. Schließt die Leitung hinter der Armatur. 5 – Gebrauchsstellenvorlage. 6 – Knebel zum Einstellen des Ausgangsdrucks (Fließdrucks).
Gebrauchsstellenvorlage
Hinter der Acetylen-Armatur (und auch am Sauerstoff-Pendant) sollte sich eine „Gebrauchsstellenvorlage“ befinden. Dieser kleine Zylinder mit zwei Gewinden wird zwischen Armatur und Schlauchpaket geschraubt und soll einen Flammenrückschlag in die Flasche verhindern. So ein Rückschlag ist zwar selten wie ein Kugelblitz, aber ebenso gefürchtet: Falls die Schweißflamme in der Hitze des Gefechts erlischt und pfeifend und zischend den Acetylen-Schlauch hochwandert, kann sie mit viel Pech tatsächlich auch noch den Druckminderer überwinden und in die Acetylenflasche kriechen. Dadrin hat die Flamme zwar keinen Sauerstoff, wohl aber reichlich Nahrung. Und sorgt dafür, dass Acetylen und Aceton zerfallen, während der Druck langsam, aber ungehindert ansteigt.
In so einem Fall hat man zwar keinen Kugelblitz in der Stube, wohl aber eine Handgranate mit gezogenem Sicherungsstift in der Hand. Feuerwehr rufen und raus mit dem Ding, falls möglich. Nachbarn in Sicherheit bringen und die Profis machen lassen. Die „Gebrauchsstellenvorlage“ soll so ein Szenario verhindern und darf deswegen so wie die Armatur neu sein und auch nicht aus China kommen.
Wie man Drücke und Flamme richtig einstellt, zeigt die kommende Folge.