Aufbau der Schweißelektrode
Wenn der koreanische Akkordschweißer den Helm runterklappt und mit gezücktem Elektrodenhalter auf
Sektion 17b des neuen Supertankers losgeht, tut er das mit einer Packung Schweißelektroden im Holster.
Diese Zauberstäbe des gemeinen Mannes unterscheiden sich erheblich von dem, was beim MIG/MAG-
oder WIG-Schweißen zum Einsatz kommt.
Die Elektroden des mit Lederlappen Behängten bestehen nämlich sowohl aus Drahtstäben (der Seele) im
Inneren als auch einer mehr oder weniger krümeligen Panade (der Umhüllung) außenrum. Erst beides
zusammen ergibt den genormten Schweißstab. Funktion des Seelendrahtes ist klar: Strom leiten,
abschmelzen und als Schweißnaht zwei Spanten des neuen chinesischen Panzerkreuzers verbinden.
Elektroden-Umhüllung
Die Umhüllung hingegen hat mehrere Aufgaben. Vordringlichste ist, das brodelnde Schmelzbad vor der
hässlichen, sauerstoffreichen Umgebungsluft zu schützen. Schließlich herrschen im Lichtbogen ein
paartausend Grad, von denen in der hellgelben Schweißlinse im Schnitt immerhin noch 1.600 °C
übrigbleiben. Derart hohe Temperaturen machen das heiße Metall dann nicht nur willig, sondern
obendrein auch noch gierig.
Während sich Stahl bei Zimmertemperatur unter Zugabe von Wasser und ein paar Salzmolekülen eher
langsam braun verfärbt, so beschleunigt Wärme die Oxydation ganz erheblich. Rot- oder sogar
weißglühender Stahl oxydiert nämlich beinahe augenblicklich und verfügt nach dem Abkühlen nur noch
über die technologischen Eigenschaften eines mitgewaschenen Mobiltelefons.
Dagegen hilft die Umhüllung: Bei flackerndem Lichtbogen schmilzt die Panade ab und erzeugt dabei eine
schützende Glocke aus mehr oder weniger inertem Gas. Das verdrängt den Luftsauerstoff aus der
Gefahrenzone und schützt die Schmelze.
Schlacke
Zerfallsprodukt und Zweck Nummer zwei der Umhüllung ist Schlacke. Diese Schlacke legt sich während
des Schweißens auf das noch glühende Material und schützt es, wenn das entstandene Gas vom Winde
verweht wurde. Obendrein isoliert sie ein wenig: Eine Schweißnaht mit Schlacke obendrauf kühlt
langsamer aus als eine „nackte“ Naht.
Nicht zuletzt verbessert die Umhüllung die Eigenschaften des Lichtbogens ganz erheblich und kann (in
Sonderfällen) auch die Legierung der entstandenen Naht beeinflussen, also z.B. aus einem niedrig
legierten Kernstab eine nichtrostende Schweißraupe zaubern, indem im Lichtbogen Chrom und Nickel
aus der Umhüllung in die Schmelze übergehen.
Edelstahl-Elektroden
Wenn es also um die Auswahl der Schweißelektrode geht, stellt sich die Frage nach a. Dicke des
Materials und b. nach der Art des Werkstoffs. Wir hatten das schon in einer vorigen Folge: Unlegierte
Stähle lassen sich prinzipiell einfacher schweißen als legierte. Und bestimmte Stähle oder Guss-
Werkstoffe sträuben sich generell beharrlich gegen Schweiß-Versuche mit Elektroden.
Da wir aber in unserer Schweißen-Fortsetzungs-Reihe nur mit mehr oder weniger unlegierten Baustählen
hantieren, brauchen wir auch nur „einfache“ Elektroden. Dabei sind einige Elektroden-Werkstoffe quasi
„Abwärtskompatibel“, zum Beispiel solche für nichtrostende Edelstähle.
Mit solchen Elektroden schweißen sich Baustähle wie von selbst zusammen und halten auch ganz prima –
allerdings kostet die Naht wegen der teuren Stäbchen das vierfache.
Welche Schweiss-Position?
Letzter Punkt in der Stabwahl ist die „Schweiß-Position“, und von diesen Positionen gibt es eine ganze
Menge. Die Auswahl hängt natürlich damit zusammen, WAS man per Plasmalicht zusammenbappen will
und WO es sich befindet. Schließlich lassen sich Bauteile ab einer gewissen Größe nicht mehr mit einem
Pfannenwender drehen.
Im Fall zweier briefumschlagsgroßer Bleche ist das jedoch kein Problem: Auf den Tisch mit dem
Klumpatsch und mit der Funzel dranrumgerüsselt. In diesem Fall („Wannen-“ oder „Horizontalposition“)
schwappert der Fingerhut flüssiges Metall wie in einer Schüssel aus festem Material und kann
nirgendwohin – außer auf den Schlingenflor unter dem Tisch, wenn das Blech zu heiß wurde und die Naht
durchbrennt.
Zwangslagen
Um die arduinogesteuerte Stalinorgel mit der billig ersteigerten Caterpillar-Raupe zu verbinden, hilft
diese Wannenposition nix: Weder Kettenraupe noch Selbstbau-Lafette haben die passende Größe für den
Schweißtisch. Solche Nähte werden dann in der Scheune „fallend“, „steigend“ oder „überkopf“
geschweißt, wobei diese Namen Position und Bewegung exakt beschreiben.
Während sich der Seelendraht nicht um Schweißposition, Himmelsrichtung oder politische Gesinnung
kümmert, so diktiert die Umhüllung wo es langgeht, und wo nicht: Sie bestimmt maßgeblich das
Verhalten von Schmelze und Schlacke.
Versucht man trotz fehlender Eignung der Elektrode z.B. eine Überkopfnaht, läuft einem die flüssige
Schlacke zuverlässig reproduzierbar ins Schmelzbad oder den Mantelkragen und ruiniert dann entweder
die Schweißnaht oder das mühsam gezüchtete Rückenfell.
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Schweiss-Parameter
Als Freund planmäßigen Vorgehens ist man deshalb im Vorteil: Auf der Elektroden-Packung finden sich
alle für den Bau des Raketenwerfers erforderlichen Parameter. Das sind also das Material, die empfohlene
Stromstärke (die direkt mit der Wärmemenge / Einbrandtiefe zusammenhängt) sowie die mit diesen
Elektroden mögliche Schweißposition.
Darüber hinaus vermerkt der Hersteller hier auch die empfohlene Polarität (beim Schweißen mit
Gleichstrom) und die Temperaturen und Zeiten, um feuchte Elektroden wieder zu trocknen. Dieser Artikel
zeigt, wie man zünd-unwillige Elektroden im Backofen auf Linie bringt.
Soll das Stalinsche Musikinstrument obendrein auf Straße, Schiene oder im Seeverkehr zum Einsatz
kommen, so freuen sich TÜV oder Schiffsklassen (der „Hochsee-TÜV“) über zertifizierte
„Schweißzusatzstoffe“. Solche Hinweise auf Zertifikate von De Norske Veritas, TÜV, Germanischem
Lloyd oder der Bundesbahn zeigen noch dazu, dass in der Pappschachtel Qualitäts-Schweißstäbe
schlummern.
Für erste Übungen (und auch den späteren Bau der Panzerkreuzer-Replik) eignen sich zum Beispiel
Thyssens Klassiker „Phoenix Blau“ oder Oerlikons „Fincord“ und „Citorex“. Alle drei werden
allenthalben auch in handlichen Gebinden zu 4,5 Kilo verkauft und halten sich bei trockener Lagerung bis
weit über 2040 hinaus.
Wir hatten das schon: feuchte Lagerung, zerbröselnde Umhüllung, schlechtes Zünden der Elektrode.
Schlaue Leute bewahren ihre Zauberstäbe deshalb im Heizungskeller, am besten auf dem 1984er Brötje-
Ölkessel liegend, auf.
Kernstab-Durchmesser
Den passenden Kernstab-Durchmesser bestimmt man einfach und schlicht an der Größe des Werkstücks
und der Durchschlagskraft des Trafos: Eisenträger schluckt viel Wärme, kleines Fitzel-Profil nur wenig.
Und weil diese Wärme in der Schweißbude gleich Energie gleich Strom ist, fummelt man dünne
Elektroden aus der Packung, wenn es an kleine Bauteile geht.
Die Zauberstäbe müssen nämlich nicht nur von der Legierung ungefähr (mitunter auch haargenau) zum
Bauteil passen, sondern auch von der Größe des Schweißbades her. Dabei sind die Erfrischungsstäbchen
nach ihrem Durchmesser geordnet und folgen DIN-getreu einer Normreihe.
Typische Elektrodendurchmesser sind 1,6 mm, 2 mm, 3,2 mm, 4 mm, 5 mm und 6 mm. Zu diesem Durchmesser gehört natürlich auch eine fixe Länge – fiepelige 2 mm-Elektroden sind kürzer als 5 mm-Prügel.
Logisch auch, dass die Leistung des Schweißgeräts passen muss: Ein Hong-Kong-Fui-Kleintrafo aus dem
Non-Food-Regal des Discounters bekommt bei dickeren Elektroden mit Sicherheit Schluckauf.
Wie man mit Leder behängt, brummendem Trafo und gezückter Wunderkerze verschiedene Zwangslagen
und Stellungen erlebt, zeigt die folgende Folge. Junge Damen, bitte dranbleiben.