Prolog 2022
Schweißen ist ne Wissenschaft. Und: Schweißen ist ne Kunst. Deshalb auch die Hommage an die Haarschneiderinnung.
Wissend, dass es den Beruf des Schweißers und Schweißingenieurs gibt, unternehmen wir in dieser Artikelserie trotzdem den bescheidenen Versuch, eine Einführung in die Materie des Schweißens zu geben.
Was ist das überhaupt? Was brauche ich dafür? Was kann man im damit Hausgebrauch anfangen und vor allem leisten?
Übertragen auf die hochgeschätzte Friseursinnung entspricht das etwa dem Pisspotthaarschnitt mit der Heckenschere. Aber: Die Haare sind ab!
Wir beginnen diese Reihe mit ein paar Grundlagen und beißen dann in die saftigen Schinken von E-Hand, MIG/MAG und WIG. Als Bonbon kommt am Ende noch Autogen (Sorry: Gasschmelzschweißen) an die Reihe.
Das ist nämlich als wandelnder Untoter ebenfalls noch unterwegs; kann nicht schaden, wenigstens mal davon gehört zu haben.
Schweißen mit Strom
Kein großes Geheimnis, dass elektrischer Strom dazu taugt, Toastbrote zu bräunen und ganze Einfamilienhäuser (wegen kaputter Toaster) in einen rußgeschwärzten Vorstadt-Kokelhaufen zu verwandeln.
Und wer jemals mit einer Radiozange auf der Leiter stehend in einer Lampenfassung herumgemurkst hat, weiss auch, dass ein Kurzschluss schnell und heiß ist. Die Strommarken auf der ehemals makellosen Radiozange verraten: Hier wurde Material aufgeschmolzen!
Dieses Aufschmelzen von Material interessiert uns – und lässt sich in der heimischen Werkstatt mit unterschiedlichen Verfahren und Geräten machen. Kern dieser Elektroschweißerei ist immer ein Lichtbogen, der Material aufschmilzt und damit zwei Stahlteile zusammenleimt.
E-Hand / Schweißen mit Elektrode
Die simpelste Methode (neben den Stricknadeln in der Steckdose) ist das Elektrodenhandschweißen. Dazu braucht man nicht mal bewegliche Teile – ein Schweißtrafo und ein paar Elektroden reichen aus, um Vaddis Gartentor oder einen dekorativen Panzerkreuzer zusammenzubraten.
In der Praxis findet man dieses uralte Schweißverfahren auch heute noch allenthalben, einfach weil es simpel und billig ist. Die einfachsten Trafos werden inzwischen bei ALDI zwischen Blumenzwiebeln und Hustensaft verramscht und taugen sogar für das genannten Gartentor.
Wer es komfortabler mag oder den Bau einer 1000 m² – Trapezblechhalle selbst in Angriff nehmen will, greift bei der Stromquelle eher auf einen dicken Trafo oder ein Invertergerät zurück; solche Geräte sind inzwischen gleichfalls zum Gegenwert von 5 Kisten Bier zu haben.
Wermutstropfen beim E-Hand-Schweißen ist die Tatsache, dass die Handfackel einiges an Übung erfordert. Weil aber genau diese Übung auch beim Schutzgasschweißen erforderlich ist, kann es nicht schaden, mit E-Hand anzufangen.
Das ist ähnlich wie mit Feile und Flex: Wer feilen kann, hat sich das Gefühl fürs Material mit ein paar Tagen Arbeit ansehnlichen Schwielen erkauft – und kann das später beim Winkelschleifen prima gebrauchen.
- Hier geht´s zur Übersicht der Schweißstromquellen.
- In diesem Artikel zeigt das nötige Equipment für das E-Hand-Schweißen.
- Welche Werkstoffe lassen sich mit Elekrode verschweißen?
- Welche Elektrode brauche ich wofür?
- Dieser Artikel zeigt die E-Hand-Praxis.
Letzte Aktualisierung am 5.04.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
MIG / MAG-Schweißen
Eine Schlosser- oder KFZ-Bude ohne Schutzgasgerät ist zwar denkbar, aber eher selten. Meist steht so ein Gerät irgendwo im Halbdunkel neben Säulenbohrmaschine oder Richtplatte und lässt sich mit seinen Rollen durch die ganze Halle schieben.
Allerdings kriegt der Schweißfach-Obermeister beim Begriff „Schutzgasgerät“ Zahnschmerzen – einfach, weil er gleichzeitig treffend und ungenau ist. Wenn es nämlich um „Schutzgas“ geht, meint der Sprecher meist MIG/MAG. Der nackte Begriff überspannt jedoch auch WIG und noch ein paar übrige, exotische Verfahren.
Das hier gemeinte „Metall-Aktiv-Gas“ und „Metall-Intert-Gas“-Schweißen meint Schweißen mit Draht. Im Gegensatz zum E-Hand-Schweißen besteht die Elektrode hier aus einem fast endlosen Draht von der Rolle, der im Lichtbogen aufschmilzt. Damit die Schmelze bei Weißglut nicht verbrennt, liefert eine Gasbuddel entweder reaktionsträges („Aktives“) oder absolut inaktives („Inertes“) Gas auf die Schmelze.
Brauchbare MIG/MAG-Geräte sind auch heute noch teuer, machen aber den Einstieg in die Welt des blauen Lichts leicht: Das Prinzip des Schutzgasschweißens lässt sich binnen einer Stunde lernen und dann sogar sicher anwenden.
Letzte Aktualisierung am 3.04.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Gib mir Wolfram!
Beim E-Hand- und MIG/MAG-Schweißen brennt naturgemäß immer Elektrodenmaterial ab und vergrößert das Schmelzbad. Das ist dann hinderlich, wenn man nur wenig oder gar kein Material auftragen möchte und der Lichtbogen trotzdem brennen soll.
Die nicht-abbrennbare Elektrode gibt es auch; das Ding ist aus Wolfram gehäkelt und steckt dann in einem Spezial-Brenner. Korrekterweise spricht der Obermeister dann vom „Wolfram-Inertgas-Schweißen“.
Im Gegensatz zur Drahtelektrode funktioniert WIG nur mit dem Edelgas Argon und macht die Wunderfackel aus der Westentasche damit teuer.
Gleichzeitig ist das Verfahren langsam, einfach weil der Mann an der Funzel nicht nur das Licht halten muss, sondern mit der anderen Hand auch den Schweißdraht zuführt. Diese volle Kontrolle aller Schweißparameter ist dann Fluch und Segen zugleich: Einerseits lassen sich mit WIG alle möglichen und unmöglichen Stahlsorten in allen Lagen verschweißen, andererseits ist das eher schwer zu lernen.
WIG galt und gilt deswegen als Königsdisziplin der Schweißerzunft und erfodert wochenlange Übung, um schicke Nähte in Stahl, Edelstahl oder Alu zu zaubern. Weil der Ami „Wolfram“ mit „Tungsten“ übersetzt, heißt das edle Gebrät jenseits des Atlantiks auch „TIG“ – Tungsten Inert Gas, meint aber exakt dasselbe.
Letzte Aktualisierung am 5.04.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Autogen
Wenn der Meister vom Lehrling verlangt, „ma das Autogen-Gerät“ ranzuholen, bekommt der Schweißfachingenieur Zahnschmerzen in der anderen Backe: Korrekter Begriff ist hier „Gasschmelzschweißen“.
Im Unterschied zu allen bereits genannten Verfahren werden Gartentore, Panzerkreuzer oder Kotflügel hier nicht mit Elektrokraft, sondern einer echten, analogen Flamme aufgeschmolzen.
Historisch gesehen ist Autogen-Schweißen damit das zweitälteste Verfahren hinter dem Feuerschweißen.
Das datiert quasi in der Jungsteinzeit – der Schmied erhitzt zwei Batzen Stahl im Schmiedefeuer auf hellgelbe Glut und hämmert sie auf dem Amboss ineinander, so dass ein paar dekorative Handschellen, Folterzangen oder Fußketten entstehen.
Nachteil der analogen Schweißerei: Man benötigt neben den Brennerarmaturen vor allem zwei Gasflaschen, die die Brenngase Acetylen und Sauerstoff beinhalten.
Schweiß-Praxis
Als Opa bei Blohm und Voss U-Boote für Atlantikkrieg klarmachte, waren die oben beschriebenen Schweißverfahren hochaktuell, teilweise revolutionär neu. Heute lassen sich mit exakt denselben Gerätschaften immer noch U-Boote zusammenleimen, auch wenn sich Stähle, Schweißgeräte und Zusatzwerkstoffe verändert haben.
Mit Haus, Hof und Auto ist das etwas anders – hier gibt es zwar noch Gartentore zu reparieren, aber keine Opel Olympia oder Kübelwagen mehr. Autos von heute sind prinzipiell anders konstruiert (auch wenn der Olympia keinen Rahmen mehr hatte) und werden teilweise aus Leichtmetall zusammengesetzt.
Die elektrische Wunderfackel kommt im KFZ-Reparaturbetrieb deswegen nurmehr selten zum Einsatz. Repariert wird heute fast immer mit Punktschweißgeräten. Welche Apparaturen welches Schweißverfahren im Detail braucht und wie man damit kunstreich die eigene Hütte in Brand steckt, zeigen die folgenden Folgen. Junge Damen, bitte dranbleiben.
- Braucht man immer: Wie schweiße ich einen Auspufftopf?
- Und auch die Anleitung, wie man ein Auspuffrohr schweißt.
- Die eigene Bude abfackeln? Dann braucht man keine Sicherheitsmaßnahmen beim Schweißen.