Slip-Stick bei Drehmoment
Der Versuch ist einfach: Eine Zylinderkopfschraube mit Bremsenreiniger knochentrocken sprühen, die zweite mit Motoröl einjauchen und das dritte Exemplar in WD40 baden. Anschließend alle drei nacheinander mit zum Beispiel 150 Nm festziehen. Naaa? Genau: Die Anzahl der dafür nötigen Umdrehungen unterscheidet sich. Möglicherweise sogar ganz erheblich. Besonders hässlich auch die Tatsache, dass sich die im Ami-Sprüh gebadete Schraube zum Schluss nur mit Rucken und Stucken drehen lässt.
Solches Ruckgleiten, bei dem sich die Schraube losreißt, gleitet und dann wieder steckenbleibt, ist bei einigen Schmierstoffen schlimmer, bei einigen besser. Bei allen wird es jedoch umso heftiger, je größer die Flächenpressung ist, also je mehr Druck auf dem Gewinde lastet. Lässt sich die Schraube zu Beginn noch ganz glatt anziehen, wird das „Slip Stick“ meist kurz vor Erreichen des finalen Drehmoments besonders hässlich und verändert die Klemmkraft der Schraubverbindung erheblich.
Um das wenigstens ansatzweise zu verhindern, schreiben viele Hersteller ein mehrstufiges Anziehen von Schraubverbindungen vor. Dabei werden Zylinderkopfschrauben, Radbolzen oder Muttern eines Pumpendeckels in der ersten Stufe ganz schnöde mit Drehmoment angezogen. Sobald die Schraubverbindung in die Gefahrenzone des Slip Stick kommt, schaltet der Konstrukteur um auf drehwinkel-gesteuertes Anziehen: Sind zum Beispiel an allen Kopfschrauben die 120 Nm erreicht, sollen die Lurche nochmals um 180° + 90° weitergedreht werden.
Dieses 180° + 90° bedeutet nichts weiter, als dass alle Schrauben im ersten Zug nochmal um 180° weitergedreht werden – egal, wieviel Kraft es dafür am Schlüssel braucht. Und egal, wie bockig der Schlüssel dabei ruckt und stuckt. Ist man damit fertig, geht es in der zweiten Runde nochmal mit 90° zur Sache – ebenfalls wurscht, wie sperrig sich der Schlüssel hier anstellt.
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Drehwinkelscheibe
Für dieses „drehwinkelgesteuerte Anziehen“ existieren seit je her Drehwinkelscheiben. Das sind Gradscheiben mit 1/2-Zoll-Antrieb auf Vorder- und Rückseite, deren Zeigergehäuse sich meist mit einem Magneten arretieren lässt.
Zwischen Nuss und Knarre gesteckt, lässt sich der Dreh an Knarre und Nuss mit so einem Teil wirklich aufs Grad genau dosieren. Die Deluxe-Ausführung hat den Dauermagneten am Schwanenhals, damit sich die Scheibe auch in Leichtmetallköpfen sicher verankern lässt.