Drehmomentschlüssel – Preis
Wir hatten das in der vorigen Folge: Schrauben sollen zwei Bauteile mit definierter Kraft zusammenhalten. Weil z.B. bei einem Zylinderkopf die Presskraft auf die Dichtung nicht ganz unwichtig ist, hat sich der Konstrukteur hier ein Drehmoment an der Kopfschrauben überlegt.
Und sobald man in der Werkstatt den Pappkarton mit der Zylinderkopfdichtung aufreißt, kommt der Stolz des Motorenschlossers ins Spiel, der Drehmomentschlüssel. So ein Instrument hat meist 1/2´´-Antrieb und löst -Knack!- aus, wenn das eingestellte Drehmoment erreicht ist.
Diese Wunderschlüssel gibt es von klein bis groß und von billig bis sehr teuer. Sie haben üblicherweise einen 1/2-Zoll-Antrieb und werden wie eine normale Umschaltknarre benutzt. Analoge Modelle basieren auf einem mechanischen Auslöse-Mechanismus, für den eine Feder im Inneren des Schlüssels vorgespannt wird. Damit diese Feder nicht lahm und der Wert beim nächsten Gebrauch verfälscht wird, müssen solche Schlüssel nach dem Einsatz immer auf den kleinsten Skalenwert zurückgedreht werden.
Da ja kurzer Hebel = wenig Drehmoment und langer Hebel = viel Drehmoment bedeutet, braucht man für die typische Autoschrauberei meist zwei oder mehr Drehmomentschlüssel. Also ein eher kleines Exemplar für Pumpengehäuse, Ventildeckel- oder Ölwannenschrauben und ein größeres Exemplar für Radbolzen, Zylinderkopfschrauben oder Fahrwerksmuttern. Die Stufen schwanken je nach Hersteller, liegen aber oft bei 5 – 50 Nm für kleine und 30 – 200 Nm für die größeren Drehmomentschlüssel. Noch größere Schlüssel mit einem Anzugsmoment von bis zu 1.000 Nm gibts auch; allerdings braucht man für diese Geräte ein etwas dickeres Bündel Euroscheine und vor allem beide Hände, wenn man das Ding auf 1.000 Nm eingestellt hat.
Drehmomentschlüssel? Qualität!
Alle Drehmomentschlüssel unterscheiden sich -wie üblich- auch deutlich in der Qualität. Wem unter Last schonmal ein indischer Weicheisenschlüssel in Stücke ging, kauft nur noch Marke – einerseits der Gesundheit zuliebe und andererseits der Zuverlässigkeit halber. Schließlich kommt der Drehmomentschlüssel meist dann zum Einsatz, wenn es um die letzte Meile einer Reparatur geht; ärgerlich, wenn kurz vor fertig das Werkzeug die Grätsche macht.
Um die Präzision des Geräts muss man sich allerdings nicht sonderlich sorgen: Da ja (wie im vorigen Artikel der Reihe geschildert) das Drehmoment je nach Zustand des Gewindes ERHEBLICH schwankt, reichen 5% Wiederholgenauigkeit locker aus.
Kurioserweise brüsten sich Drehmomentschlüssel der preislichen Oberklasse oft mit einer Genauigkeit von einskomma irgendwas Prozent. Und diese Wiederholgenauigkeit erreichen sie im Labor tatsächlich, das bestätigen die Kalibrierzertifikate im Karton aus Remscheid. Die Frage nach dem „wofür“ ist hingegen mehr als erlaubt: schließlich verfälscht bereits ein zarter Hauch von WD40 auf der Achsgelenksmutter das Knack!-Ergebnis um satte 30%.
Eine solcherart geölte (aber mit dem korrekten Anzugsmoment festgezogene) Schraube klemmt dann viel fester als gewollt – Kalibrierzettel hin oder her. Kurz: Wichtiger als die Genauigkeit des Drehmomentschlüssels ist der Schmier-Zustand von Gewinde und Unterlegscheiben.
Letzte Aktualisierung am 5.04.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Elektronische Drehmomentschlüssel
Weil die Digitalisierung auch vor Hammer, Sichel und Käsehobel nicht halt macht, existieren auch Drehmomentschlüssel mit eingebautem Microcontroller. Diese Kandidaten quittieren den erreichten Drehmoment-Wert mit Knack und Piep gleichzeitig. Das diente in der Industrie ursprünglich mal zur Dokumentation á la „Ich hab die Injektordüsen im A420-Triebwerk wirklich angezogen!“ und diffundiert inzwischen auch in die Kfz-Werkstatt.
So ein Piep! mag ganz beruhigend sein, wenn man auf 30.000 Fuß den wohlverdienten Mümmelmann schlürft und unter Flugangst leidet. Am Boden hingegen ist sowas eher fraglich. Schließlich sind die Dinger nicht nur sehr genau und sehr teuer, sondern habe vor allem Knopfzelle im Griff, die ihren letzten Piep! garantiert dann tut, wenn noch 10 Schrauben angezogen werden wollen. Vorteil: Sie haben keine Feder im Inneren, die entspannt werden will.
Ist kein Drehmomentschlüssel zur Hand, tut es auch die Kofferwaage. Wir hatten das im Theorie-Kapitel: Kraft mal Hebellänge ergibt das Drehmoment. Reißt man also mit 50 Kilo an der 1/2-Zoll-Knarre mit einer wirksamen Hebellänge von 30 Zentimetern, so lautet die Rechnung 50 x 10 x 0,3 = 150 Newtonmeter. Das geht logischerweise auch andersherum: Verlangt die Radmutter nach 120 Nm bei einem Radkreuz von 50 Zentimeter wirksamer Länge, braucht es 120 / 0,5 / 10 = 24 Kilo. Wohlgemerkt – immer rechtwinklig zum Hebel.
Falls der Dichtungsmacher Ruckgleiten beim Anziehen befürchtet, schreibt er für den oder die letzten Züge das drehwinkelgesteuerte Anziehen vor. Alles dazu im folgenden Artikel.