Spiralbohrer
Wenn die Bohrplatte unschuldig im Schraubstock der Säulenbohrmaschine eingespannt ist und die Position der Bohrungen nach tausendstelgenauem Anreißen festliegt, stellt sich die Frage nach dem Bohrwerkzeug. Aus der Entfernung von einigen Metern sehen die Dinger alle gleich aus: lang, rund und aus Stahl. Verschieden groß, immerhin. Aber welchen Bohrstängel wofür nehmen? Im dritten Teil unserer Bohren- und Gewindeserie zeigen wir verschiedene Formen von Bohrern und deren Einsatzgebiet. Das ist nämlich je nach Anwendung sehr unterschiedlich.
Allerweltsbohrer Nummer eins und in vermutlich mehreren Trilliarden Exemplaren auf unserer großen weiten Welt vertreten ist der Spiralbohrer. Vor einigen Jahren haben hochbezahlte Gremien und Sprachpuristen versucht, das Ding umzubenennen, weil diese Spiralbohrer ja gar keine spiralförmigen Späne produzieren, sondern wendelförmige. Der Schuss dieser hochdotierten Herren ging allerdings nach hinten los – auch heute heißen Spiralbohrer noch Spiralbohrer und nicht Wendelbohrer.
Ein Spiralbohrer, das haben wir in der letzten Folge gesehen, kann grob gesagt entweder einen Zylinderschaft oder einen Schaft mit Morsekegel haben. Je nach dem lässt sich das Ding dann nur in eine Maschine mit Morsekegel spannen oder mit einem stinknormalen Bohrfutter betreiben. Als Faustregel gilt, dass alle Bohrer mit einem Durchmesser von mehr als 12 Millimetern einen Morsekegel haben.
Größere Durchmesser gibt es durchaus mit Zylinderschaft, allerdings ist bei solchen Bohrern das Drehmoment beim Bohren ins Volle so groß, dass der Zylinderschaft kaum ausreicht, den Wumm sicher zu übertragen – das Ding bleibt im Material stehen und dreht sich im Futter.
Neben unterschiedlichen Aufnahmen unterscheiden sich Spiralbohrer eigentlich noch in jedem einzelnen Detail, so wie der 1938er Ur-Käfer von Ferdinand Porsche eigentlich nur noch den Namen und die äußere Form mit einem 1998er Mexiko-Import-Käfer gemeinsam hatte. Bei Spiralbohrern ist das genauso.
Kurze Bohrer, lange Bohrer
Neben unterschiedlichen Durchmessern gibt es bei Spiralbohrern natürlich verschiedene Längen. Diese Länge wächst mit dem Durchmesser – noch dazu gibt es aber die Formen „extra kurz“, „kurz“, „lang“ und „extra lang“. Das, was in allen Schubladen, Kisten und Kästen so rumschwirrt ist in aller Regel die Form „kurz“ und in der DIN 338 genormt. Mit dieser Länge kommt man in den allermeisten Fällen hin und nur selten braucht man die längere Form.
Extra kurze Bohrer sind stabiler und biegen nicht so sehr durch; kurz werden die Dinger allerdings meist von selbst – durch schlichtes Benutzen und runterschleifen. Wenn man allerdings so ein ganz kurzes Teil unbedingt braucht, lässt sich eine normale „kurze“ Form auch einfach runterschleifen und kürzer machen.
Neben unterschiedlichen Aufnahmen, Durchmessern und Längen unterscheiden sich Bohrer noch in allerhand anderen Kriterien. Das sind zuerst die Präzision oder Maßhaltigkeit und der Werkstoff. Um ein Werkstück zu bearbeiten, muss das Werkzeug härter sein als das Werkstück – das war schon beim Faustkeil so. Die einfachen Bohrer sind deshalb wenigstens aus „HSS“, so genanntem Hochleistungsschnellarbeitsstahl. Als man bei Talglicht Schrauben noch von Hand aus Hartholz schnitzte, war ein simpler HSS-Stahl von heute eine „Hochleistung“ und entsprechend teuer. Heute ist HSS in Sachen Standzeit und Schnittgeschwindigkeit ein Standardwert. Standzeit ist dabei die Zeit, die ein frisches Werkzeug durchhält, bis es wieder angeschliffen werden muss oder verbraucht ist. Zur Schnittgeschwindigkeit kommen wir noch.
Übliche HSS-Spiralbohrer mit einem Durchmesser von vielleicht 8 Millimetern in der kurzen Form kosten im Fachhandel weniger als einen Euro. Diese Dinger werden wie Brötchen gebacken und bestehen aus diesem stinknormalen Werkzeugstahl. Sie werden nicht geschliffen, sondern mit ziemlicher Präzision gewalzt. Ist die Nebenschneide (kommt noch) geschliffen oder der Bohrer ausgespitzt, so bohrt das Ding schon ab Werk genauer und ist entsprechend teurer. Besser ist das Material allerdings nicht; so ein Bohrer ist lediglich präziser.
HSS-Bohrer und titannitrierte
Spiralbohrer, die weniger als „HSS“ versprechen, sollte man im Regal liegen lassen. Auch wenn man nicht weiß, wie viel Kohlenstoff, Molybdän oder Vanadium der Bohrerschmied in den Rohling gerührt hat, so ist sicher, dass es bei einem Chinaplunder-Sortiment „40 Bohrer für 2,99!“ nicht viel sein kann. Ein ordentlicher Bohrer kostet. Und ein Sortiment von 0,5 – 10 Millimetern mit Metallkassette sollte preislich bei wenigstens 20 Euronen liegen.
Nach oben hin gibt es allerdings kaum eine Grenze. Teurere Bohrer sind nämlich beschichtet, haben die selbe Form wie ihre einfachen Kollegen und sind bunt. Da gibt es welche mit violetter Spitze oder braune oder goldene. Diese Bohrer sind mit Titanderivaten veredelt, die die Standzeit des Werkzeugs gewaltig erhöhen. Mit einem solchen Bohrer lassen sich Sachen zerlöchern, die sich einem normalen HSS-Bohrer sonst erfolgreich widersetzen.
Das sind zum einen bessere Stähle mit höherer Zugfestigkeit oder andere Materialien wie Edelstähle oder Titan. Die beschichteten Bohrer kriegen dieses zähe und harte Zeug problemlos klein und sind die einzige Wahl, wenn man so etwas vor die Linse bekommt. Zweiter Vorteil dieser beschichteten Werkzeuge ist, dass sie lange halten und eine hohe Standzeit haben.
In unlegierten Stählen sind solche Superbohrer kaum kaputtzukriegen und machen auch mal 200 Löcher in VA, ohne nachgeschliffen zu werden. Bohrt man viel, sind sie eine sehr lohnenswerte Anschaffung. Und ist man mit seiner Bohrmaschine da, wo man nicht alle paar Bohrungen zum Schleifbock laufen kann, eine echte Notwendigkeit.
Selbstverständlich lauern auch hier Lug und Trug: Der Fachhandelsonkel ruft für einen 8mm – TiN – Bohrer wenigstens 5 Talerchen auf und nach oben hin gibt es bei diesen Superbohrern preislich keine Grenze. Bietet der Flohmarkthöker ein solches Sortiment edler Bohrgeräte für den Preis einer Schachtel unversteuerter Zigaretten feil, ist daran garantiert was faul und dieser Mann hat seine Titannitrid-Bohrer vermutlich am Küchentisch mit einer Dose Goldbronze selbst hergestellt.
Bohrer Typ H, W, N
Spiralbohrer können also nicht nur unterschiedliche Durchmesser oder Längen haben oder sind aus unterschiedlichem Stahl gemacht oder beschichtet – sie unterscheiden sich auch in der Schneidengeometrie. Geht man an so einen Bohrer näher ran, fällt auf, dass es Spiralbohrer mit mehr oder weniger Drall gibt. Dieser Drall nennt man sachkundig „Spanwinkel“ oder Spiralwinkel. In der DIN heißt das „Form“ und der normale Standardbohrer hat, wie sollte es anders sein, die Form „N“.
Diese Form ist ein Teil der Schneidengeometrie, die gleich noch kommt. Die Schneidengeometrie ist nämlich entscheidend für den Einsatzzweck des Bohrers. Man kann mit so einem Werkzeug nämlich nicht nur stinkiges Blech oder schnöden Baustahl zerspanen, sondern auch richtig harte Sachen. Oder Guss. Oder Nichteisenmetalle wie Aluminium oder Kupfer oder Messing. All dieses Zeug lässt sich zwar mit einem Bohrer „Typ N“ irgendwie kleinkriegen, allerdings schmiert das Material möglicherweise oder ist für die normalen Bohrer schlicht zu hart.
Für solche Zwecke gibt es Spiralbohrer in Sonderformen. Bei Sonderformen für harte Werkstoffe ist der Drall kleiner und diese Dinger heißen „Typ H“. Für weiche Werkstoffe wie zum Beispiel Bunt- oder Leichtmetalle nimmt man einen Bohrer mit mehr Drall und dem klangvollen Namen „Typ W“. Ist man also dabei, eine Tonne Aluminiumguss mit Bohrungen leichter zu machen, lohnt die Investition in einen Bohrer anderen Typs durchaus – damit bohrt es sich leichter, weil die Späne deutlich besser abfließen.
Bohrer für hartes oder sehr hartes Zeug sind fast nur in „H“ zu kriegen. Hier fließen die kurzen Späne nämlich kaum ab und müssen schnell aus dem Bohrloch raus. Hat man einen solchen Spezialfall auf der Werkbank und soll die Bohrung astrein werden, ist es angezeigt, in die Tasche zu greifen und in gutes Bohrgerät zu investieren.
Unten im Bild sind drei Kandidaten einer seltenen Spezies zu beobachten: Spiralbohrer mit Hartmetallschneide. Das ist die Premiumklasse für grimmigste Anwendung. Was diesen Bohrern standhält, lässt sich nur noch schleifen oder erodieren. Nachteil der Hartmetallplatten ist, dass sie entweder ganz oder gar nicht gekühlt werden dürfen – also entweder trocken oder mit ordentlichem Kühlmittel-Strahl, weil die Hartmetallplatten sonst reißen oder ausbröseln.
Schweißpunktbohrer
Weil am Auto seit Fred Feuerstein immer weniger Vollmaterial zur Verwendung kommt, hat man mit normalen Spiralbohrern im dünnen Autoblech mitunter seine liebe Not, weil der Bohrer im Loch wandert oder das Blech ausreißt.
Sollen also Serien von Schweißpunkten entstehen, so ist möglicherweise die Anschaffung eines Schweißpunktbohrers angeraten. Das ist eine Mischung aus Bohrer und Fräser und hat drei Schneiden. Diese Schneiden funktionieren wie beim Spiralbohrer, sind aber zu dritt. Das reduziert Rattermarken und Schlagen der Bohrers ganz erheblich. Noch dazu ist der Spitzenwinkel klein oder gleich Null – dieser Schweißpunktbohrer setzt direktemang auf dem Blech auf und schneidet gleich ganz durch. Zur Zentrierung des Bohrer dient eine klitzekleine Spitze, die das Ding führt.
Plant man für die Restaurierung eines alten Schätzchens das Einschweißen mehrerer Quadratmeter Reparaturblech, ist ein solcher Schweißpunktbohrer ein Segen, auf den man nicht verzichten sollte.
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Stufenbohrer / Schälbohrer
Für große Löcher im Blech empfiehlt sich eine gute Rundfeile. Mit der lässt sich eine kleine Bohrung stilsicher größer machen und nach Gusto und Feinsinn des Mechanikers auch in der Form verändern. Das ist besonders interessant und wichtig beim Anbringen von Außenantennen oder dem nachträglichen Einbau von Schiebedächern.
Setzt man hier nämlich unbedarft einen normalen Spiralbohrer an und drückt auf den Abzug der üppig dimensionierten Bohrleier, reißt einem das Ding fast den Arm ab: der Bohrer verkeilt sich im Blech und bleibt stehen. Die Bohrung mag man sich gar nicht mehr ansehen – ein unschönes Artefakt, das mit einem sauberen Loch für die Antenne nur wenig gemein hat.
Um das von vornherein zu vermeiden, kann man ein Stück Hartholz oder Baustahl hinterlegen und ordentlich festklemmen. Das führt den Spiralbohrer und sorgt für runde Löcher. Häufig ist aber weder Platz noch Möglichkeit, eine solche Beilage anzubringen. Um Bohrungen in so einem Fall größer zu machen, empfehlen sich so genannte Stufen- oder Antennenbohrer.
Diese Dinger haben eine ganz spezielle Geometrie und zentrieren sich wunderbar in dünnem Blech. In verschiedenen Größen auf dem Markt sind solche Bohrer oft die einzige Möglichkeit, eine Bohrung sauber herzustellen. Rechnet man die Kosten eine verhunzten Kotflügels und die verdeibelte Mehrarbeit gegen, lohnt sich die Anschaffung in nahezu jedem Fall. Um große Löcher stufenlos zu fertigen, empfehlen sich auch so genannte Schälbohrer. Diese Dinger erinnern entfernt an einen Kegelsenker, sind aber schlanker. Mit so einem Wundergerät lassen sich dünne und dünnste Werkstücke mit großen Bohrungen versehen.
Holzbohrer
Will der Kollege Holzwurm ein paar Bohrungen in Eiche, Esche oder Fichte drehen, so kann er das durchaus mit einem Spiralbohrer der Form N tun. Viel besser ist aber ein Holzbohrer geeignet, der in der Tischlerbude in aller Regel als gemeiner Schlangenbohrer vorhanden ist. Diese Schlangenbohrer haben keinen Spitzenwinkel und viel schlankere Schneiden. Außerdem haben diese Bohrer eine Spitze mit Drall, die den Bohrer ganz hervorragend zentriert.
So ein Bohrer in gutem Zustand frisst sich mit Lust ins Holz und produziert rasch einen dicken HaufenSpäne. Großer Nachteil der Holzbohrer ist die recht komplizierte Schneidengeometrie, die sich nur mitviel Ruhe und einem scharfen Auge wiederherstellen lässt, wenn man mal auf einen Nagel gebrummt ist. Ist viel Holzarbeit nötig, sind solche Bohrer mehr als angesagt.
Hartmetall für Betonbohrer
Für Arbeiten in Ziegel, Kalksandstein oder Beton sind alle oben genannten Bohrertypen völlig ungeeignet. So wie man auch eine Bohrmaschine mit Schlag braucht, ist für alles steinige auch Bohrwerkzeug mit Hartmetallbestückung nötig. Streng genommen wird hier nämlich gar nicht gebohrt und geschnitten, sondern nur pulverisiert und zermörsert.
Dieses Pulverisieren besorgt bei einem Stein- oder Betonbohrer ein Hartmetallplättchen, das auf die Spitze des sonst weichen Bohrers aufgelötet ist. Dieses Hartmetall oder „Widia“ („Wie Diamant“) ist so hart, dass es Beton, Stein und andere Mineralien problemlos kaputtkloppt.
Will das gute Stück irgendwann nicht mehr recht, lässt sich diese Hartmetallplatte am Schleifbock leicht nach- bzw. scharf schleifen. Ist das Ding aber komplett runter oder ausgeglüht, weil zu warm geworden,so ist der Bohrer damit definitiv wegschmeißreif.
Als Aufnahme in Bohrhämmern oder Schlagbohrmaschinen dient in aller Regel das „Steck-Dreh-Sitzt“-System, kurz SDS. Damit bleiben gute und teure Betonbohrer im Futter. Wie man überhaupt bohrt und was es dabei zu beachten gilt, zeigt die nächste Folge.